Spiel des Monats

Nicht ein Spiel des Monats, sondern gleich eine ganze Reihe, die denselben Geist atmet: Demon's Souls, Dark Souls I und II und nun Bloodborne sind diese Woche Thema auf VGT. Dieser Text - zu Dark Souls II - erschien ursprünglich für die WASD #5.

Unter all den größeren und kleineren Wandlungen, die die Souls-Serie im Laufe ihrer Geschichte erlebt hat, war vermutlich keine passender als die durch einen Publisher-Wechsel erzwungene Neuformulierung des Namens: Vom raunenden Demon’s, das in seiner grammatikalischen Ungeschlachtheit die Tradition windschief übersetzter, dabei aber seltsamer poetischer Spieletitel weiterführt, hin zum so unmissverständlichen wie passenden Adjektiv: Dark. Nicht, dass der titelgebende Dämon des ersten Spiels im Nachfolger gebannt gewesen wäre – mit der Einzahl kann ohnehin keine der tausend Ungestalten gemeint sein, die den Limbus der Spielwelt heimsuchen, sondern nur jene Nemesis, die sich dem Spieler auf Schritt und Tritt in den Weg stellt: sein innerer Schweinehund.

Auch in Dark Souls blieb er der ultimative Gegner, dessen Geheul jedes Mal zu vernehmen ist, wenn der Blick auf eine ominöse Gestalt fällt, die unbeweglich, aber unverkennbar bereit, am anderen Ende eines Korridors steht, umgeben von den Blutlachen anderer Spieler, die hier ihr Ende gefunden haben, und unser Daumen für eine Sekunden vom Joystick rutscht, als hätten wir eine Wahl.

Zum vierten Mal Spiel des Monats, und wieder alles anders: Denn diesmal steht nicht ein einzelnes Spiel, sondern gewissermaßen eine Reihe im Fokus. From Softwares Souls-Reihe - Demon’s Souls, Dark Souls 1 & 2 - und deren Nachfolger im Geiste Bloodborne ist eine ganze Woche auf VGT gewidmet.

Bloodborne ist das erste Spiel von From Software, das ich beendet habe. Schon die Souls-Reihe hat mich fasziniert, doch war es eher eine platonische Liebe, die weniger vom direkten Kontakt als vielmehr von Respekt und Hochachtung geprägt war; nicht, dass ich nicht in allen drei Teilen viele Stunden damit verbracht hätte, mir die Zähne an diesen Diamanten auszubeißen; und nicht, dass ich nicht hier und hier diese Faszination schon in Worte gegossen hätte. Nun aber: Bloodborne, in dem ich versunken bin wie lange in keinem anderen großen Spiel, ein Spiel, das mich - wie passend bei all den Metaphern von Blut, Krankheitsübertragung und Infektionen - fast körperlich wie ein Fieber erfasst hat. Das schale Wort “Fan” ist in diesem Zusammenhang zu milde - ich bin infiziert. Fünf kurze Meditationen zur Frage, was Bloodborne - wie auch die früheren Spiele von Hidetaka Miyazaki - so außergewöhnlich macht.

Was wir noch sagen wollten: Unter dem Titel "Gesprächsstoff" sammelt die VGT-Autorenschaft ihre Gedanken zum Spiel des Monats im direkten Austausch, als Abschluss einer Woche zu einem Spiel - diesmal zu "Hotline Miami". Zu Gast diesmal: Daniel Ziegener, mit Christof, Joe und mir im Gespräch.

Rainer: Hotline Miami 2 hat einige Diskussionen ausgelöst, die bei Teil eins noch eher im Rauschen der Begeisterung untergegangen sind. Man könnte es das "schwierige zweite Album" nennen, aber die wenigsten Rezensenten wollten darin ein "schlechtes Spiel" sehen, wie es Joe für Haywire und hier getan hat. Nehmen wir mal an, es bleibt bei diesen zwei Teilen - was wird übrig bleiben von Hotline Miami - Teil eins und zwei -, wenn wir uns in zehn Jahren dran erinnern?

Hotline Miami ist die blutigste Disco der Welt. Grund genug, einmal herunterzufahren und sich dem Soundtrack des Massakers ganz entspannt hinzugeben. Christof, Joe und ich in der freien Assoziation zu den beeindruckendsten Tracks der Reihe. Eat you heart out, Debug- und Spex-Plattenrezensionslyrik.

Zynismus, so Wikipedia, ist eine Haltung, Denk- und Handlungsweise, die durch beißenden Spott geprägt ist und dabei oft bewusst die Gefühle anderer Personen oder gesellschaftliche Konventionen missachtet.

Als ich Jonathan Söderström 2012 als Keynote Speaker auf der AMAZE das erste Mal sah, machte er einen geknickten Eindruck. Um neun Uhr morgens mit einer Bierdose am Rednerpult, versuchte er erfolglos, seine animierten Folien zum “State of Underground Games” an die Wand zu projizieren. Es hakte an den Animationen, Söderström sprach leise, zu leise fast, und auch was er zu sagen hatte, klang bedrückt. Als Cactus hatte der junge Schwede eine Handvoll experimenteller, höchst origineller Spiele erschaffen, die allesamt gratis zum Download angeboten wurden. Seit dem Erfolg von Indie, so murmelte Söderström damals, sei der Lockruf des Geldes in der Szene zum Gift geworden. Die Freeware-Tage, in denen Indie-Developer ihre Spiele im Geiste der kostenlosen Verbreitung gratis zum Download zur Verfügung gestellt hätten, seien als Folge von Kommerzialisierung und Verbreiterung der Szene vorbei. Der auch kommerzielle Erfolg der Subkultur bedrohe dabei die Kreativität: "When money becomes an issue, uncreative types get in - to make money."

Auf dem Laptop befand sich neben der nicht funktionierenden Präsentation der Prototyp eines Spiels, das Ausdruck dieser Verbitterung war und ist: Hotline Miami.

T raf Teil 1 von Hotline Miami noch auf ungeteilte Begeisterung, scheiden sich bei Wrong Number die Geister. Zeit, Klartext zu reden. Dieser Artikel erschien ursprünglich für Haywire Magazine.

Hotline Miami 2 is a bad game.

There’s perfectly nothing controversial about that statement: it wants to be a bad game, at least as far as its desire to be deliberately frustrating instead of entertaining is concerned. Wrong Number picks up where the first game left off in terms of difficulty and revolves around such delightful activities as getting stuck on objects, trying to figure out whether lines drawn across its top-down environments depict solid objects or decoration, and being shot from off screen. Don’t worry though, it’s all part of the plan. The game is showing me what a monster I am because of all the fun I’m not having hurting others.

D as dritte Spiel des Monats ist wieder ein aktuelles: Hotline Miami ist mit seinem zweiten Teil erst vor kurzem wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit geraten. Grund genug, wieder eine Woche lang einen tieferen Blick auf ein einzelnes Spiel, in diesem Fall eine Serie mit zwei Teilen, zu werfen. Diesmal sogar zweisprachig, und zum ersten Mal steuern auch Gastautoren etwas bei. Den Anfang macht hiermit Daniel Ziegener von herzteile und superlevel.

Warum ich Hotline Miami 2: Wrong Number immer wieder starte, weiß ich auch nach knapp 20 Spielstunden noch nicht genau.

Die Fortsetzung des 2012 erschienen Indie-Hits Hotline Miami ist in verschiedener Hinsicht kein gutes Spiel. Es hat mechanisch viele Probleme und inhaltlich keine klare Richtung. Es ist frustrierend schwer, aber nicht auf eine motivierende Art herausfordernd. Es ist also weder mein Interesse an seiner Geschichte noch der Spaß am Spielen selbst, was mich treibt. Wrong Number ist die Fortsetzung eines Titels, über den viel geschrieben und gedacht, der analysiert und interpretiert wurde. Diesmal fällt die Kritik jedoch deutlich weniger einig aus. Einige nennen es ein Meisterwerk, andere eine uninspirierte Wiederholung seines Vorgängers.

Was wir noch sagen wollten: Unter dem Titel "Gesprächsstoff" sammelt die VGT-Autorenschaft ihre Gedanken zum Spiel des Monats im direkten Austausch, als Abschluss einer Woche zu einem Spiel - diesmal zu "Sunless Sea". Agata, Christof, Robert, Joe und ich im -ausführlichen und diesmal recht kontroversiellen - Gespräch.

Rainer: Delicious Friends! Zum zweiten Mal gibt es ein Spiel des Monats auf VGT, und sofort brechen wir mit unserer Ansage, nicht immer aktuell zu sein und nehmen uns Sunless Sea zur Brust. Und aus gutem Grund, schon die Eckdaten versprechen ja einiges, vor allem die Schlagworte der Stunde: ein Rogue-like-like, das Setting stylischer Steampunk, Open-World irgendwie und ja, auch Rollenspielelemente. Also irgendwie alles, was ich vor kurzem noch als Featuritis in Triple-A verdammt habe.

Trotzdem biedert sich Sunless Sea mit dieser Mischung nirgends an sondern ist sein eigenständiges Ding. Spielewertungen sind Schall und Rauch, aber eine der letzten Eurogamer-Wertungen machte aus diesem Unikat tatsächliche eine 10/10. Alles zusammen Grund genug, in dieser Woche eine Menge Worte schon darüber verloren zu haben und jetzt auch nochmal die Frage zu stellen: Was macht Sunless Sea anders als andere Spiele und damit besonders?

Ein Spiel wie Sunless Sea ist ein Fest für Freunde der Literatur - und zitiert, wenn ich unserer Diskussionsrunde am Freitag vorgreifen und Joe zitieren darf, “eher Stile und Motive als einzelne Werke”. Trotzdem - oder gerade deshalb - hier ein dieses Mal besonders literarischer Streifzug durch die Nachbarschaft, in dem ich auch etwas weiter ausholen werde. Im Sinne der VGT-Serie Herunterfahren also eine kurze Abkehr von digitaler Unterhaltung und ein Blick auf die Abenteuer zwischen zwei Buchdeckeln - wer Sunless Sea liebt, lässt sich auch von Literatur nicht abschrecken.

Anspruch auf Vollständigkeit wird naturgemäß keiner erhoben - weiteres Nachbarschaftliches soll und kann in den Kommentaren gerne nachgetragen werden.

The inventory of the world, the mapping of its surface, from Timbuktu to Tahiti, marked the end of all hope. The pilgrimages and voyages to the Fortunate Isles have the same goal: to find for this life a haven of grace. When the hope of paradise is banished from this life, and when we are irredeemably doomed to fail, then, like a collective dream that would take this roundabout way to speak, the image of an imaginary city emerges in the description of real life, engaging in a reversal of signs of this world and of the beyond. (Jean Roudant, Les villes imaginaires)

Mein Vater war ein Seemann. Teil einer Hochseeflotte, die überraschend groß ist für ein Binnenland, aber einer Nation nicht unangemessen, deren Streben nach neuen Ufern sie an die Spitze des weltweiten Segel- und Beachvolley-Rankings führte. Mein Vater ist kein allzu gesprächiger Mann. Was ich weiß über seine Jahre auf hoher See, setzt sich zusammen aus Bruchstücken, die Alter und Alkohol – die zwei großen Feinde der Matrosen in ihren reisenden Jahren – gelegentlich aus ihm hervorlocken.