Postkarte von Agata: Epistel vom rollenden Machtrausch

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Agata Góralczyk ist als Langzeitreisende in virtuellen Welten unterwegs. Einmal im Monat schickt sie uns eine Postkarte - diesmal aus Touch my Katamari.

Mein lieber Rainer,

völlig per Zufall bin ich hier auf einer wilden DragParty gelandet. Ein narzistischer König (ist das ein Pleonasmus?), der in seiner überbordernd affektierten und eindeutig manischen Art für gute Laune und beste Stimmung sorgt, treibt mich zur Arbeit an. Angeblich bin ich sein Sohn und muss das Universum retten. Ich würde widersprechen, wenn es etwas brächte. Seine Unbekümmertheit lässt keine Widerworte zu. Wahrscheinlich ist sein Hörorgan bei solchen Tönen taub.

Also tue ich das, wofür ich mich wohl am Besten eigne: Ich rolle.

Ich rolle auf Schreibtischen, ich rolle unter Stühlen, ich rolle durch Kinderzimmer und ich rolle auf dem Spielplatz. Ich rolle über Spielzeug und ich rolle gegen Tiere. Irgendwann rolle ich auch über Kinder hinweg, über Politessen, Hühner, Verkaufsautomaten, Gozillas, Trucks, Wale und Götter. Ich rolle und während ich rolle, werde ich immer größer, immer runder, immer verfressener. Ich sammle, ich fresse. Ich horte und raffe alles auf meinem Weg. Ich verschlinge alles in meiner unermesslichen Gier. Früher konnte mich noch die Zeit aufhalten. Jetzt hat auch die keine Chance: Alles MEINS!

Der Vogel, der eben noch nach mir gepickt hat? Weg mit Dir! Dieser Rentner, der mich getreten hat? Aufgefressen. Lauft nicht davon, es nützt ja nichts. Ich fresse euch alle auf. Das ist meine Welt, das ist meine Rache. Ich räume alles auf, ich sammle alles weg. Alles in meiner Kontrolle. Schubs mich ruhig rum. Ich werde zurückschlagen, mit aller Macht.

Sammeln ist Macht! Wachsen ist Macht!

Am Ende bin ich voll und die Welt leer. Ich hab alles gesehen. Mein Essen ist angebrannt. Ich bin im Machtrausch. Der König wartet auf mich. Ich bin einsam.

Deine Agata

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