Kälte: The Snowfield

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Das ist ein Beitrag zu Zockwork Oranges "52 Games"-Projekt, in dem pro Woche ein Text zu einem bestimmten Thema zu einem frei wählbaren Spiel gefragt ist. Thema Woche 2: Kälte. Sehr passend, dass es grad draußen Temperaturen hat wie am Nordpol.

Weiß deckt alles zu, auch das Schlimmste. Die Bäume, den Matsch, die Ruinen, die Stacheldrahtrollen, die Schützengräben und die Toten. Es ist ruhig hier auf diesem Schlachtfeld des Großen Weltkrieges, den man irgendwann später den Ersten nennen wird. Ganz kurz vor diesem Moment, in dem die Schneeflocken fallen, muss es hier noch die Hölle gewesen sein. Aber all das ist jetzt weit weg, ausgelöscht und friedlich unter dem schmutziggrauen Weiß, das sich über alles legt. Wie ein Leichentuch.

Wie in Watte verpackt stehe ich in dieser eisgrauen Wüste, die Arme verschränkt, zitternd, benommen. Mir ist kalt. Nur langsam schleppe ich mich vorwärts, vorbei an vereinzelten Soldaten, die wie in Trance im Kreis humpeln und immer wieder dieselben paar Wortfetzen stammeln. Einer von ihnen steht auf, schleppt sich mir nach, zu der Ruine, aus der als einziger Farbpunkt der orange Schein eines Feuers leuchtet. Nur hier kann ich mich aufwärmen. Und langsam, langsam geht das Brennholz zur Neige.

In The Snowfield, einem experimentellen Game des Singapore Gamelab, gibt es keine Gegner, keine Story und kein Entkommen. Der kurze Spielprototyp, der zur Gänze hier im Browser spielbar ist, lässt den Spieler vielmehr ganz alleine auf einem Schlachtfeld, auf dem die Schlacht vorbei ist. Was übrig bleibt, ist Benommenheit, Schock, Trance. Quälend langsam schleppt man sich durch das Feld, während die Kälte mit jeder Minute alles immer mühsamer macht. Wer sich verirrt oder zu lange im eisigen Winter herumwandert, erfriert. Nur in der Ruine eines Hauses brennt ein Feuer, das aber mit Brennstoff am Leben gehalten werden will. 

So verlässt man diese Zuflucht wieder und schleppt sich in die eisige Hölle, um mit Kameraden oder Brennstoff wieder zurückzukommen, bevor man selbst erfriert. Manche der im Eis herumirrenden Soldaten wollen einen Gegenstand von uns, bevor sie uns zum rettenden Haus folgen; dort angelangt, sitzen sie gemeinsam stumm vor dem Feuer. Und warten.

The Snowfield ist kurz, experimentell und lebt von seiner bedrückenden Atmosphäre. Eigentlich ist es aber gerade deshalb schade, dass ein Spiel, das Schockstarre und Kälte greifbar macht, tatsächlich gnädig mit einem Fadeout endet, wenn man alle sechs Soldaten versammelt hat; es wäre ein beeindruckender Schlusspunkt gewesen, wenn The Snowfield die Konsequenz gehabt hätte, hier mit dem Spieler bis zum unausweichlichen Ende zu warten.

Dann hätte man sich in der tröstlichen Gesellschaft der anderen verlorenen Seelen hingesetzt und zugesehen, wie das letzte Stück Feuerholz langsam zu Ende verbrennt. Bis der Schnee tatsächlich alles, alles zudeckt.

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