Best of Indie September 2015

Der Indie-Begriff mag - schon fast solange es ihn gibt - in der Krise sein, doch eigentlich macht das für Spieler gar nichts: Nie gab es eine größere Auswahl an kleinen und mittelgroßen Spielen für wirklich jeden Geschmack. Das beweist auch die septemberliche Auswahl der bemerkenswertesten Indie-Neuerscheinungen - von Hochglanz bis Retro, von Postapokalypse bis Märchenwelt.

Soma (Windows, Mac, Linux, PS4, ca 27,99 Euro)

Ich habe Soma auch in meiner fm4-Review bereits ausführlicher gewürdigt, doch auch im “Best of” hat das Horrorabenteuer einen Ehrenplatz verdient. Das schwedische Studio Frictional Games ist ein wahres Indie-Urgestein, das mit seiner Penumbra-Reihe, aber besonders mit Amnesia - The Dark Descent das Horrorgenre entscheidend mitgeprägt hat. Am Meeresgrund erwartet Spielerinnen und Spieler nicht nur so manche Begegnung mit wahren Albtraumgestalten, sondern auch ein atmosphärisch überaus dichter, bis in kleinste Details ausgestalteter Science-Fiction-Thriller mit ambitionierter, erwachsener Story, die auf altbekannte Klischees verzichtet.

Soma ist keine platte Geisterbahn, sondern eines der narrativ gelungensten First-Person-Abenteuer mit beeindruckender Horror-Atmosphäre.

Skyshine's Bedlam (Windows, 19,99 Euro)

Nach dem bereits im Frühling vorgestellten “Convoy” http://derstandard.at/2000014983926/Die-besten-Indie-Games-im-April-2015 versucht sich ein weiteres postapokalyptisches Rogue-like-like daran, das Erfolgsrezept des Ausnahmespiels FTL für sich zu reklamieren. Wie in der Weltraumsaga ist es auch in Skyshine’s Bedlam die Aufgabe der Spielerinnen und Spieler, ein riesiges feindliches Gebiet möglichst unbeschadet zu durchqueren, und hier wie dort ist Versagen vorprogrammiert. Bedlam bietet ein originelles Setting, eine Extraportion Style und mit wahrlich handfestem Schwierigkeitsgrad eine Herausforderung für Hartgesottene. Kern des Gameplays ist der Rundenkampf mit verschiedenen Kämpferklassen, und der ist trotz vermeintlichem Minimalismus taktisch durchaus fordernd. Ohne Glück beißt allerdings so manche Expedition ins radioaktive Wüstengras, doch häufiger Neustart ist hier genreüblich kein Malheur, sondern Teil der Lernkurve.

Überdrehter Cartoon-Style, viel Abwechslung und unbarmherzige Rundenstrategie als Herzstück machen Skyshine’s Bedlam zum Spiel der Wahl für Rogue-like-Masochisten im Frühherbst.

Albino Lullaby (Windows, Episode 1: 8,99 Euro)

Manche Spiele lassen einen verwirrt zurück - bei Albino Lullaby ist das Absicht. Mit seiner unheimlich-surrealen Atmosphäre, seinen bizarren Monstern und verstörendem Sound ist es ein ziemlich einzigartiges Horrorspiel geworden, dem wohl am ehesten mit einem verwegenen Vergleich nahezukommen ist: Wenn David Lynch ein Cartoon-Horroradventure machen würde, sähe das Resultat vielleicht genau so aus. Statt auf Jump-Scares und Splatter setzt Albino Lullaby auf eine absonderliche Story, so manchen “WTF”-Moment und eine dank Unreal Engine 4 und VR-Support (für Oculus Rift, Vive und Morpheus) dichte Atmosphäre, die sich angenehm vom Horror-Einerlei abhebt.

Albino Lullabys faszinierende Albtraumlogik und seine entwaffnende Originalität lassen über kleinere technische Schwächen hinwegsehen. Ein Tipp für Freunde des Seltsamen.

Stasis (Windows, Mac, 24,99 Euro)

Die großen Tage des 2D-Point&Click-Adventures mögen vorbei sein, doch das bedeutet nicht, dass sich nicht noch manches Kleinod in diesem Genre finden lässt. Das isometrische Science-Fiction-Adventure Stasis entfaltet sich in traditionell-bewährter Spielmechanik zum Horrortrip mit originellen Rätseln, dichter Atmosphäre und schaurig-splatteriger Story. Liebhaber von Kult-Adventures wie Sanitarium sind quasi zum Zuschlagen verpflichtet, doch auch Neulinge im Genre des altbewährten Point&Click-Abenteuers finden mit Stasis eine quicklebendige Erinnerung daran, was in früheren Tagen so an die Spielgeräte zu fesseln vermochte.

Stasis verkommt dabei aber nicht zur nostalgischen Retroshow, sondern kann sich selbstbewusst auch im Hier und Heute behaupten.

Armello (Windows, Mac, Linux, PS4, 19,99 Euro)

Mit viel Style und originellen Spielmechaniken kann Armello aufwarten: Als “digitales Brettspiel” verbindet es hinreißende Präsentation im Stil wunderschöner Kinderbuchillustrationen mit cleverem, unkonventionellem Gameplay. Als tierischer Fantasy-Held stehen Spielerinnen und Spielern unterschiedliche Strategien offen, um im komplexen Kampf um das Vertrauen des mächtigen, aber von dunklem Wahnsinn befallenen Königs die Oberhand zu erlangen. Neben Kampf führen auch Intrigen oder Magie zum Ziel. Gelegenheitsspieler werden vielleicht schon beim umfangreichen Tutorial aufgeben, doch Freunde komplexer und origineller Spielmechaniken, die eventuell auch beim Anblick anspruchsvollerer Brettspiele nicht schreiend Reißaus nehmen, sollten Armello näher ins Auge fassen - es lohnt sich.

Und sonst …?

Zugegeben: Undertale (Windows, Mac, ca 9,99 Euro) mag keine Schönheitspreise gewinnen, doch unter der Oberfläche ist dieses kleine JRPG ein Werk reiner Liebe, eine humorvolle Slapstick-Hommage an vergangene Kultspiele und ein emotional berührendes Meisterwerk. Den Grafikfetischisten und “Pixelmatsch”-Krakeelern ins Stammbuch geschrieben: Man sieht nur mit dem Herzen gut. Kollege Zurschmitten jedenfalls war hellauf begeistert.

Nach vielen Vorschusslorbeeren ist mit Lovers in a Dangerous Spacetime (Windows, Mac, Linux, XBox One, 14,99 Euro) auch ein Leckerbissen für Local-Coop-Freunde endlich erschienen: Alleine oder - besser, viel besser - zu zweit ist man in diesem knallbunten Unikat für die Verteidigung eines Raumschiffs gegen allerhand Weltraum-Gemeinheiten verantwortlich. Ein großer Spaß für die Couch, ebenso wie der Western-Shootout “A Fistful of Gun (Windows, 12,99 Euro), bei dem fantasievolle Steuerungs-Optionen für unterhaltsames Chaos vor dem Monitor sorgen. Portierung des Monats: Das fantastische Mobile-Abenteuer [80 Days]http://www.inklestudios.com/80days/) hat es auch auf Desktop-Rechner geschafft (Windows, Mac, 9,99 Euro).

Den Abschluss macht ein Spiel, das gar keines ist und dennoch eine Erwähnung wert ist: Panoramical (Windows, Mac 9,99 Euro) ist ein Hybrid aus psychedelischer Soundvisualisierung und trippigem Knöpfchendrehen. David Kanaga, der Musiker des legendären Ambient-Sound-Explorers “Proteus”, verzichtet in seinem neuen Musikspielzeug zwar völlig auf klassisches Gameplay, Freunde meditativen Schraubens sowie Besitzer von MIDI-Controllern freuen sich aber über das trippige Erlebnis.

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