Best of Indie März 2015

Was Kollege Wilhelm im GameStandard durchaus anerkennend “Indie-Games-Kommerz” nennt, zeichnet sich schon seit Jahren ab: Waren die Spiele unabhängiger Entwickler lange Zeit noch kleine, allzu oft dem Pixellook verhaftete Spielereien, die zwar an Spielspaß, aber kaum an Präsentation mit dem weitaus professionelleren Produkten der Branche mithalten konnten, hat sich “Indie” inzwischen geradezu spektakulär weiterentwickelt.

Das ist auch dem Umbau der Branche geschuldet: Weil sich große Publisher in den letzten Jahren von vielen mittleren oder kleinen hauseigenen Studios getrennt haben, versuchen sich inzwischen nicht mehr nur “Amateure” und Einzelkämpfer, sondern auch zahllose Ex-Industriekreative als Independents. Zugleich wandern die so ohne Publisher-Einfluss entstandenen Spiele auf Umwegen wieder zurück ins Industrie-Rampenlicht und auch vermehrt auf die Konsolen, und es gibt auch inzwischen Publisher neuer Art, die für diese Studios PR und andere ausgelagerte Funktionen übernehmen.

“Ist das noch Indie?” Aufmerksamen Lesern unserer Serie ist die vom Entwickler Craig Stern vorgeschlagene “Universaldefinition” des immer schwammigeren Indie-Begriffs bekannt: Ein Indie-Game wäre dieser Definition nach jedes Spiel, das (a) von Anfang bis Ende ohne den Einflussnahme eines Publishers oder Lizenzgebers fertiggestellt und (b) von einem einzelnen Entwickler oder einem kleinen Team erstellt wurde. Eine wackelige Schublade - doch was zählt, ist der Inhalt. Und der ist auch in diesem Monat wieder hochkarätig.

Hotline Miami 2: Wrong Number

(PlayStation 4, PlayStation Vita, PlayStation 3, Microsoft Windows, Linux, Mac OS, 14,99 Euro)

Brachial, verstörend, hart: Die Fortsetzung des Indie-Bestsellers “Hotline Miami” fordert ihren Spielern katzenartige Reflexe und Frustrationstoleranz ab, belohnt aber dafür mit hypnotischem Flow und viel Abwechslung.

Wie schon in der ausführlichen GameStandard-Review gesagt: “‘Hotline Miami 2: Wrong Number’ ist härter, größer, abwechslungsreicher und noch eine Spur seltsamer als sein zu Recht Kult gewordener Vorgänger. Dessen Originalitätsbonus besitzt es natürlich nicht; dafür ist es ein perfektes Beispiel für eine rundum gelungene Fortsetzung.” Ein Indie-Highlight, das im “Best of” nicht fehlen darf.

Ori And The Blind Forest

(Xbox One, Microsoft Windows, Xbox 360 in Vorbereitung; ab 19,99 Euro)

Auch nicht fehlen darf ein Lokalmatador, der aber auch ohne Österreichbezug seinen Platz hier mehr als verdient hat: “Ori And The Blind Forest” ist ein spielbares Kunstwerk und ein Fest für Jump-and-Run-Profis.

Auch dieses Ausnahmespiel wurde vom GameStandard bereits mit einer längeren Review gewürdigt: “‘Ori and the Blind Forest’ sieht nicht nur fantastisch aus, sondern fordert den Spieler auch, ohne jemals unfair zu sein … Auch wenn das Spiel insgesamt kaum Neues auf Tableau bringt, sind sämtliche Elemente großartig umgesetzt und mit einem heute leider seltenen gewordenen besonderen Feinschliff versehen worden. Ein Stück spielbare Kunst.”

Oblitus

(Windows, 14,99 Euro)

Nach der Pflicht, die Kür: Weitaus kleiner, aber dennoch faszinierend ist “Oblitus”, ein Spiel, das sich das große “Dark Souls” als Vorbild im Geiste erkoren hat. Das 2D-Metroidvania entlässt seine Spieler ohne viele Worte mit Speer und Schild in eine frei erkundbare, liebevoll von Hand gemalte Fantasy-Welt, die jedoch mit einiger Härte überrascht. Nicht nur, dass auch Kämpfe gegen vermeintliche Standardgegner bei Unachtsamkeit schnell einmal ins Auge gehen können und die in der Spielewelt verstreuten Zwischen- und Endgegner als veritable Riesen jeweils eigene Herausforderungen darstellen, bleibt “Oblitus” dank völlig fehlender Speichermöglichkeit auch für geübte Spieler eine Herausforderung.

Richtig gehört: Ist das einzige Bildschirmleben verwirkt, heißt es ausnahmslos ohne alle eingesammelten Upgrades und Gegenstände zurück zum Start. Diese archaische Härte wird einerseits durch sanfte Zufallsverteilung von Waffen und Gegnern bei jedem Tod abgefedert als sie auch andererseits zu mehr Achtsamkeit und Spannung führt. Ein kleines Spiel mit großer Seele - hier meine Review für fm4.

Helldivers

(PS4, PS3, PS Vita, 20,99 Euro)

Arrowhead Studios sind Mehrspielerprofis: Schon mit der “Magicka”-Serie haben die Schweden ihr Händchen für hysterisch spaßige Multiplayer-Action bewiesen. Mit dem Remake des Mehrspieler-Kultklassikers “Gauntlet” hat man sich Warner Brothers als Publisher geangelt, und das nun veröffentlichte “Helldivers” schlüpfte wie so mancher andere Indie unter Sonys Fittiche.

Und es ist ein großer Spaß: Bis zu vier Spieler versuchen sich vor demselben Monitor oder online im Coop als waffenstarrende Space Marines am Kampf gegen allerhand außerirdisches Getier - doch wie so oft droht fast größere Gefahr von den eigenen Mitspielern. Der hübsche Top-Down-Shooter stellt sich trotz vermeintlicher Einfachheit als spannende Herausforderung für Teamspieler (oder Spielverderber!) dar und nimmt sich selbst an keiner Stelle zu ernst. “Helldivers” vereint sein zutiefst klassisches Spielprinzip mit modernen Twists und sorgt für gute Laune bei jeder Mehrspielersession.

Tormentum: Dark Sorrow

(Windows, Mac, ab ca 11 Euro)

Ein Unikat zum Schluss der Besten des Monats: “Tormentum” ist spielerisch ein recht traditionelles Point-and-Click-Adventure, doch in Sachen Präsentation spielt das faszinierend düstere Abenteuer der polnischen Entwickler in einer ganz eigenen Liga. Die nur teilweise effektvoll animierten Szenen mögen zwar unbewegte Tableaus sein, auf denen man klassisch Gegenstände sucht und kleinere Puzzles löst, doch atmosphärisch entführt “Tormentum” in Welten, die der Kunst von H.R. Giger oder des weniger bekannten polnischen Surrealisten Zdzislaw Beksinski würdig sind. Die atmosphärische Soundkulisse und die atemberaubenden Kunstwerke, in denen sich die düstere Handlung des Spiels bewegt, machen “Tormentum” trotz spielerisch kaum vorhandener Originalität empfehlenswert.

Und sonst?

Mit “White Night” (Windows, Mac, Linux, PS4, XBO, 14,99 Euro) und “OlliOlli2” (PS4, PS Vita, 9,99 Euro, kostenlos für PS Plus-Mitglieder) hat der GameStandard zwei weitere bemerkenswerte Indie-Spiele auf Konsolen in diesem Monat bereits vor den Vorhang geholt , doch auch “Shelter 2” (Windows, Mac, Linux, ab 13,79 Euro) verdient einen Platz im Rampenlicht: Als Luchsmutter sind Spielerinnen und Spieler für Schutz und Versorgung eines Wurfs entzückender Luchskinder zuständig und erforschen dafür eine offene skandinavische Naturlandschaft im einzigartigen grafischen Stil.

“Ironcast” (Windows, Mac, Linux, 12,99 Euro) wiederum sieht auf den ersten Blick wie der millionste Aufguss des von “Candy Crush” bekannten “Match-Three”-Genres aus, überrascht aber mit strategischer Tiefe und spannenden neuen Ideen - für Fans von “Puzzle Quest” und Co ist das Steampunk-Strategiespiel mit Roguelike-Elementen einen Blick wert.

Mobile-Gamer seien abschließend auf “Card Crawl” (iOS, 1,99 Euro) aufmerksam gemacht: Das Singleplayer-Kartenspiel des Berliner Entwicklerpärchens Tiny Touchtales verbindet Solitär und rollenspielartiges Monsterbekämpfen zu einem überaus motivierenden Unikat.”Ryan North’s To Be Or Not To Be” (Windows, Mac, Linux, Android, iOS ab 5,99 Euro) wiederum lässt Spielerinnen und Spieler Shakespeares “Hamlet” als Choose-Your-Own-Adventure aufleben - ein genialer Spaß.

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