Drum binde dich an was dich ewig prüft: Super Crate Box

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Das ist ein Beitrag zu Zockwork Oranges "52 Games"-Projekt, in dem pro Woche ein Text zu einem bestimmten Thema zu einem frei wählbaren Spiel gefragt ist. Thema Woche 5: Prüfung. Mit diesem Text gibt übrigens Games-Bändiger Robert Glashüttner seinen heiß ersehnten Einstand auf VideoGameTourism.at. Welcome!

Es gibt wenige Videospiele ohne Herausforderungen. Und die paar langweiligen, die keine oder kaum welche haben, sind ja gar keine Games. Sondern Notgames.

Entschuldigung. Aber es stimmt schon, dass digitale Spiele sehr oft ihre Dramaturgie dadurch entfalten, dass sie Aufgaben vorgeben, deren Erfüllung selten trivial sein darf, damit die darauf folgende Belohnung auch als entsprechend wertvoll empfunden werden kann. Bei Super Crate Box, Vlambeers bezaubernder Interpretation von Mario Bros., ist das anders. Der ganze Schnickschnack mit toller Grafik, Hintergrundgeschichte und bombastischem Score wird dabei als bloße Ablenkung von dem wunderbar archaischen Prinzip enttarnt, das Games innewohnt.

Es ist so wie ganz früher: Wenn du ordentlich und ausgiebig Hölzchen reibst, freust du dich umso mehr, wenn das Feuer endlich brennt. Wenn du lange den gefährlichen Tiger jagst, schmeckt sein Fleisch, nachdem du ihn erwischst hast, umso besser. Nur, dass wir im Fall von Super Crate Box eben Kisten sammeln und von merkwürdig buntem Totenkopf-Gesocks gejagt werden. Stimmt schon: Der technologische Fortschritt, die vielseitigen Möglichkeiten von Game Design und die schlaue Verwebung von Spielmechanik mit audiovisuellen Inhalten haben im Sinne der Weiterentwicklung von Spielkultur gut daran getan, dieses klar vorgegebene Prinzip aufzulockern, zu verschleiern und in unterschiedliche Einzelteile und Episoden zu zerstreuen. Doch letztlich kommt immer wieder alles auf den altehrwürdigen Kern zurück: Auf gemeisterte Herausforderung folgt die verdiente Belohnung, auf beachtliche Handfertigkeit ein würdiger Highscore.

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Jede und jeder, die und der etwas Ehrgeiz mit ins Spiel bringt, kennt den zerbrochenen oder zumindest ein paar Mal in die Luft geschmissenen Game Controller. Oder den herzhaften Schlag auf Tastatur oder Maus. Daran ist aber nicht das systemimmanente Element der Prüfung in Spielen schuld, sondern das Drumherum. Denn nur, wenn eine Erzählung hinzukommt, wird das Scheitern in einem abstrakten, mathematischen System wie einem Spiel zu einem "greifbaren" Tod. Ein schlechter Highscore wird zum jämmerlichen Sterben, eine maue Zeit wird zur Demütigung, ein Steckenbleiben in einem frühen Lebelabschnitt zum würdelosen Versagen. Wir starten dann nicht bloß neu, sondern bekommen blutverschmierte Game-Over-Screens auf Monitor und Fernseher gekleistert, auf die wir meist auch noch sekundenlang starren müssen, bevor wir einen neuen Versucht starten dürfen. Oft wird auch noch zäh und schmerzhaft lange nachgeladen, mittlerweile vermutlich unnötig lange, bloß, um uns noch länger zu quälen. Nicht so in Super Crate Box. Anfangs merkt man gar nicht, dass dauernd neue Spiele begonnen werden. Es wirkt als hätte man bloß ein Leben verloren. Es geht schon wieder weiter. Kein Grund, sich selbst leidzutun.

Die neuen Prüfungen, die wieder entdeckten Hardcore-Herausforderungen in der digitalen Spielkultur hingegen sind eine Befreiung von der Pein des Narrativen, die alle archaischen Aufgaben zu einer Art Pseudowirklichkeit erhöht, in der wir jeden drohenden Bildschirmtod fürchten, weil er uns wieder mit beschämendem Versagen, Häme seitens des Spiels und pathetisch inszenierten Hinweisen auf unser digitales Ableben konfrontiert. Da wirft man in Folge nicht nur das Handtuch, sondern gleich das ganze Interface aus der Hand. Wie schön sind da auch andere sofortige Wiedereinstieg-Spiele wie Super Meat Boy, Trials HD, 1000 Heroz, Pac-Man und quasi jedes Spielhallen-Videospiel, das zwischen 1979 und 1985 erschienen ist. Man hat gar keine Zeit, dass man sich ärgert, weil man sofort wieder auf der Matte steht. Oder gleich tot ist und schnell wieder eine Münze einwerfen muss. Damals war auch in technischer Hinsicht kein Platz für ausgiebig präsentierte Game-Over-Frechheiten seitens der Designer und Programmierer.

Die Zeit der puren Prüfung ist glücklicherweise in vollem Ausmaß zurück, und es deutet nichts darauf hin, dass es nicht dabei bleiben sollte. Vor allem Games auf Smartphones und Tablets sind zwar oft erfrischend unnachgiebig, aber auch verblüffend pragmatisch in ihrer Inszenierung. Bei Super Crate Box, kürzlich auch für iOS portiert, ist der Highscore manchmal einstellig und eine Spielsession überschreitet oft nicht mal die 1-Minuten-Marke. Über epische Todesinszenierung und beißende Boshaftigkeit sind solche Spiele hinaus. Stattdessen gibt es Reduktion in der Aufbereitung und Fokus auf das Wesentliche: die Herausforderung. Das macht ein Game zeitlos und unabhängig von narrativen Moden und dem oft verspürten Zwang der/des Spieler/in, etwas unbedingt durchspielen zu müssen.

Steigen wir doch öfter auf diese unverfälschen Prüfungen um! Unsere Peripheriegeräte werden es uns danken.